05. Juni 2015

Die Zukunft des Sozialstaates.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer, Bundesminister für Soziales, Arbeit & Konsumentenschutz, Wien

Bundesminister Rudolf Hundstorfer begann seinen Vortrag im Rahmen von MCI Alumni & Friends mit einem Blick zurück. Der Sozialstaat sei noch relativ jung und Ergebnis eines langen Weges. Er sei ein Netz zur Stützung der Wirtschaft. In der Zukunft gäbe es große Herausforderungen. Eine der Größten sei die steigende Lebenserwartung, was das Problem der Finanzierung der Pension mit sich bringt. Auch müsste man die Menschen aus der Mindestsicherung aktivieren.

Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel werde immer stärker. Als Beispiele dafür nannte der Bundesminister die Digitalisierung, Nutzung von Smartphones und den Online-Handel. Dies bringe Herausforderungen für den Datenschutz und Veränderung der Arbeitswelt.

Zu den Grundprinzipien des Sozialstaates zählt Rudolf Hundstorfer die Absicherung gegen Risiken, Solidarität und Chancengerechtigkeit. Seine Arbeit sei die Finanzierung dieser Aspekte. Diese sei wiederum abhängig vom Faktor Arbeit. Arbeit sei das Fundament des Sozialstaates. Alles laufe hierbei nach dem Versicherungsprinzip.

Es gäbe massive strukturelle Veränderungen der Arbeitszeitformen. Von den 3,5 Mio. Menschen, die unselbstständige beschäftigt sind, arbeiten über 1 Mio. in Teilzeit. 50% davon stehen unfreiwillig in so einem Dienstverhältnis, da zum einen die Wirtschaft keine andere Wahl bietet, zum anderen weil die Öffnungszeiten von Kinderbetreuungsstellen nicht passend sind oder Aufgaben in der Familie, wie die Betreuung von Älteren, übernommen werden müssen. Aufgrund dieser Veränderung gäbe es nun eine rückläufige Lohnquote, welche noch negativer werden wird.

Die Veränderung der Arbeitswelt führt zu mehr Flexibilisierung und atypischen Arbeitsformen. Österreich ist Vizeeuropameister bei den Überstunden. Letztes Jahr wurden 270 Mio. Überstunden erfasst, was eine Wochenarbeitszeit von 42,5 Stunden ergibt. Das zeigt, dass ein enormes Potential für Arbeit besteht. Der Bundesminister fordert, dass zumindest ein Teil in Arbeitsplätze umgewidmet wird. 10% dieser Stunden sind bereits 8.400 Vollzeitäquivalente.

Bei diesen Veränderungen stellt sich die Frage der Finanzierung des Sozialstaates. Der Sozialstaat sei aufgebaut auf Vollzeitäquivalente, da diese auch Grundlage für die Krankenversicherungen seien. Die solidarische Finanzierung bei einem stetigen Anstieg der Teilzeitarbeit kommt an ihre Grenzen. Alternative Finanzierungsformen müssten diskutiert werden.

Der demographische Wandel durch die sinkende Geburtenrate führt dazu, dass es weniger Jugendliche gibt. Dadurch können Arbeitstätige erst später in Pension gehen. Eine Arbeitsmarktoffensive muss verstärkt werden, vor allem für die über 50-Jährigen. Das Thema lebenslanges Lernen wird immer wichtiger.

50% der Arbeitslosen haben keine Qualifikation. Die größte Veränderung ab Herbst nächsten Jahres wird daher die Bildungsverpflichtung bis zum 18. Lebensjahr sein. Jeder Jugendliche wird verpflichtet sein, eine weitere Ausbildung nach der Pflichtschule zu machen. Bisher beginnen jährlich rund 5.000 Pflichtschulabgänger weder eine weitere schulische Ausbildung noch eine Lehre. Dies soll durch diese Initiative in Zukunft verhindert werden.

Abschließend erklärte Bundesminister Rudolf Hundstorfer, dass der Sozialstaat in Österreich gut aufgestellt sei. Damit das so bleibt, bedarf es einer hohen Beschäftigungsrate sowie der Bereitschaft der Bevölkerung, länger zu arbeiten einerseits und dem politischen Willen des Bundes, den Sozialstaat weiterhin zu erhalten andererseits. Natürlich sei die Absicherung des Sozialstaates mit Veränderungen verbunden. Eine Privatisierung hat dem Sozialgefüge einer Gesellschaft langfristig jedoch noch nie gut getan. Der Bundesminister sei gerne in einem Land, wo er sich überlegen müsse „wie kann ich steigende Lebenserwartung jedes Jahr finanzieren?“

Oliver Stock, Chefredakteur von Handelsblatt Online, moderierte den Vortrag und führte durch die angeregte Diskussion.

Einladung_HBM_Hundstorfer2.pdf