25. Januar 2016

Vermögenskonzentration in Europa.

Philanthropie oder Aushöhlung der Demokratie?
Dr. Martin Schürz, Oesterreichische Nationalbank, Monetäre Analysen, Wien

Eine vielschichtige Auseinandersetzung mit den Fragen der Vermögenskonzentration war Gegenstand eines Vortrags von Dr. Martin Schütz, Gruppenleiter für monetäre Analysen in der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Österreichischen Nationalbank. Der Vortrag, der durchaus auch die persönliche Meinung von Dr. Schütz zum Ausdruck brachte, fand im Rahmen der Reihe von MCI Alumni & Friends statt.

Dr. Schütz eröffnet seinen Vortrag mit einem Blick auf die Situation in Österreich: Obwohl Österreich ein wohlhabendes Land mit relativ hohen Arbeitseinkommen sei, liege der Gini-Koeffizient, also jener Wert, der Auskunft über die Verteilung des Vermögens gibt, bei 0,76 auf einer Skala von 0 bis 1 (0 = absolute Gleichverteilung; 1 = absolute Ungleichverteilung). Dieser hohe Wert weise auf eine deutliche Ungleichheit der Nettovermögen hin. Eine wesentliche Rolle in dieser Entwicklung spielen die Änderungen in der Gesellschaft seit der Industrialisierung, der relativ geringe Anteil an Immobilienbesitzern sowie in jüngerer Zeit Erbschaften, die sich deutlich stärker auf den Vermögenszuwachs auswirken als Steigerungen des Arbeitseinkommen.

In Österreich besitzen die unteren 50 % der Haushalte 4 % am Bruttovermögen, während die obersten 5 % über 45 % des Bruttovermögens verfügen. Dieses Bild zeige sich auch global: Die weltweit reichsten 62 Personen besitzen genauso viel wie die gesamte untere Hälfte der Weltbevölkerung. Schütz zitiert im Vortrag auch den Ökonomen Thomas Piketty, der in seiner Forschungsarbeit darlegt, dass sich die Vermögensschere öffne, wenn die Kapitalrendite über längere Zeit größer sei als das Wirtschaftswachstum.

Ein hohes Vermögen besitze eine hohe Strahlkraft und bedeute ab einem gewissen Volumen auch Gestaltungskraft, führt Schütz weiter aus. Wohlhabende rechtfertigen ihr Vermögen unter anderem mit Hinweisen auf ihre Wohltätigkeit. Langfristig unterminiere diese philantropische Haltung jedoch die Demokratie, weil die Wohlhabenden die zu unterstützenden Projekte und Vorhaben selbst auswählen. Langfristig höhle zu starke Vermögenskonzentration die Gesellschaft aus (Christine Lagarde 2013), dämpfe durch Bildungsbenachteiligungen das BIP-Wachstum (OECD), verletze durch den Verzicht auf Leistung als Bewertungsgrundlage Gerechtigkeitsprinzipien und berge schließlich die Gefahr von Machtmissbrauch, da Reich und Arm in der Gesellschaft unterschiedliche Präferenzen zeigen und die Politik dazu tendiere, Vermögende und Vermögen zu schützen.

Durch die anschließende angeregte Diskussion führte Prof. Dr. Bernd Ebersberger, Leiter Forschung, Innovation & Entrepreneurship am MCI.

Einladung_Martin_Schürz4.pdf