14. März 2024

Auslandssemester in Südafrika

Bachelorstudierende Ines Haisjackl und Lisa-Marie Kiefinger verbringen ihr Auslandssemester an der National University of Lesotho und berichten von ihren Erfahrungen

Warum haben Sie sich gerade für diese Partnerhochschule entschieden?

Soziale Arbeit im Globalen Süden gestaltet sich äußerst unterschiedlich zum westlichen Raum, da andere Bedürfnisse vorherrschen und somit andere Interventionen gebraucht werden. So ist es unter anderem die Aufgabe der Sozialarbeit, innerhalb der Communities, gemeinsam mit den Einwohner:innen Lebensmittel anzubauen, um gegen den Hunger anzukämpfen.

Unsere Motivation für die Auswahl unseres Auslandssemesters an der National University of Lesotho (NUL) „Social Work” zu studieren, war deshalb unsere Neugier. Wir hatten beide großes Interesse an der Sozialen Arbeit im Globalen Süden, da schien Lesotho die beste Möglichkeit zu sein, um einen theoretischen und praktischen Einblick in unseren Arbeitsbereich zu erhalten. Des Weiteren waren wir schon immer daran interessiert, eine der vielen afrikanischen Kulturen kennenzulernen, um ein Verständnis für andere Traditionen zu erlangen. Um genau zu sein, wollten wir nicht nur davon hören und lesen, sondern es mit all unseren Sinnen hautnah erleben.

Wie gefällt Ihnen die Universitätsstadt? Wie erleben Sie die Kultur des Gastlandes?

Die National University of Lesotho (NUL) befindet sich in einem kleinen Dorf namens Roma, ungefähr 30 Kilometer östlich von Maseru, der Hauptstadt Lesothos. Roma gehört zu den ländlichen Gegenden des Landes. Aufgrund dessen, dass in Roma sehr viele Student:innen leben, gibt es einen Supermarkt und einige kleine Marktstände, welche diesen Ort sehr lebendig machen. Außerhalb des Universitätscampus ist Elektrizität jedoch nur begrenzt vorhanden, und das Wasser steht meist nur in Form eines Zapfhahnes im Garten zur Verfügung.

Um den Campus herum befindet sich hauptsächlich unberührte Natur mit wunderschönen, plateauartigen Bergen. Daher genossen wir es, unsere Pause im Freien zu verbringen und die idyllische Landschaft zu bestaunen. Auch nach fünf Monaten waren wir noch nahezu jeden Tag von dieser beeindruckenden Natur überwältigt. Die Wochenenden nutzten wir deshalb oft, um die naheliegenden Berge gemeinsam mit unseren „Basotho“-Freund:innen zu entdecken.

Lesotho widerlegt auch all die Stereotypen, die manch eine:r von einem afrikanischen Land haben könnte: Das von einer wunderschönen Natur geprägte Land liegt zu 80% auf 1.800m.  In den Wintermonaten ist es daher äußerst kalt und in manchen Regionen schneit es sogar. In den Sommermonaten hingegen ist es sehr warm. Regenschauer lassen das Land in dieser Zeit aufblühen und verwandeln die braunen, kargen Landschaften zu Grünflächen.

Die Basotho, die wir kennenlernen durften, begegneten uns mit einer sehr offenen Art. Auch Personen, die man nicht kennt, sind sehr interessiert und immer für ein kurzes Gespräch bereit. Ein schneller Einkauf kann sich deshalb schon mal eine Stunde hinziehen.

Der offene Zugang der Basotho ermöglichte es uns, Freund:innen zu gewinnen,  unvergessliche Abenteuer zu erleben und viel über die Kultur und Tradition von Lesotho zu erfahren.

Die Basotho-Kultur ist geprägt von Ruhe und Gelassenheit. Durch die Gelassenheit und Flexibilität werden auch hin und wieder Zeiten und Termine nicht ganz so ernst genommen.

Lesotho ist eines der ärmsten Länder der Welt, weshalb auch die Kriminalitätsrate sehr hoch ist. Wir durften aber sehr liebe Freund:innen gewinnen, die immer auf unser Wohlergehen achteten und uns zu jeder Tages- und Nachtzeit nach Hause begleiteten.

Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen Ihrer Gastuniversität und dem MCI?

Studieren im Globalen Süden unterscheidet sich sehr von unserem gewohnten Lebensumfeld. Internetzugang ist selten. Das bedeutet beispielweise, dass wenig mit Notebooks gearbeitet wurde, sondern Notizen während den Vorlesungen auf Papier festgehalten wurden, und Abgaben meist persönlich im Büro der Lektor:innen abgegeben wurden.

Die Vorlesungen fanden mit einer hohen Anzahl an Studierenden statt, was die Lektor:innen aber nicht davon abhielt, die Student:innen in die Vorlesung miteinzubeziehen und einen persönlichen Kontakt zu ihnen zu wahren. Ganz besonders hat uns der Austausch während den Vorlesungen gefallen. Vom sozialarbeiterischen Austausch zwischen Lehrenden und Kommiliton:innen konnten wir sehr viel voneinander lernen.

Unser Auslandssemester hatte uns sehr viel Flexibilität abverlangt, da wir vom Studium am MCI sehr viel Struktur gewohnt waren. Unangekündigte Tests und Präsentationen gehörten hier zur Tagesordnung. Nach ein paar verzweifelten Momenten konnten wir uns aber schnell an die Umstände gewöhnen und kamen sehr gut zurecht. Die Prüfungen wurden am Ende des Semesters geschrieben.

Besonders interessant wurde das Auslandssemester durch die Lehrveranstaltun „Child Welfare Practice”, in der wir praktisch tätig werden durften. Lisa durfte eine Gruppe von Studierenden in eine Community begleiten und die Menschen über Kinderarbeit aufklären. Ines hingegen besuchte mit ihrer Gruppe eine Schule, vermittelte Bewusstseinsbildung über gesunde Ernährung und Hygiene und baute mit den Kindern einen Garten mit unterschiedlichem Gemüse an. Für uns war dies ein sehr eindrucksvolles Erlebnis, mit den Menschen in Verbindung zu kommen und sozialarbeiterisch tätig sein zu dürfen.

Was war bislang die größte Herausforderung während Ihres Auslandssemesters?

Natürlich brachte unser Auslandssemester auch einige Herausforderungen mit sich. Eines der größten Herausforderungen war für uns der jährlich wiederkehrende Streik am NUL-Campus.

Aufgrund der ärmlichen Lebensumstände sind die Student:innen in Lesotho meist auf eine staatliche Förderung angewiesen, um ihren Karriereplänen nachgehen zu können. Die Zahlungen werden aber nie rechtzeitig getätigt und die Studierenden haben aufgrund der fehlenden finanziellen Ressourcen Schwierigkeiten, sich ihre Unterkunft oder Nahrungsmittel leisten zu können. Aus diesem Grund begannen die Student:innen nach ungefähr einem Monat zu streiken: Palmen wurden angezündet, Steine wurden geworfen und im Zuge der polizeilichen Intervention kam es gegen Ende sogar zu Waffenschüssen.

Dies machte uns Angst. Vor allem weil wir uns keineswegs vorstellen konnten, wie der Streiks genau ablaufen würde. Glücklicherweise wurden wir von Freund:innen rechtzeitig über den Streik informiert, konnten bei einem Freund unterkommen und so den Ausschreitungen vor Ort aus dem Weg gehen. Dennoch mussten wir uns daran gewöhnen, dass es nicht sicher ist, sich nachts außerhalb des Campus aufzuhalten. Mit Wachsamkeit konnten wir der gefährlichen Situation gut aus dem Weg gehen und uns ist nichts passiert.

Möchten Sie uns sonst noch etwas erzählen?

Eines unserer Highlights war der Besuch des „Juvenile Centers” in Maseru, welches wir dank des großen Engagements unserer Vertrauensperson an der NUL besuchen konnten. Ein Juvenile Center ist eine Rehabilitationseinrichtung, in der Kinder im Alter von 13 bis 18 Jahren betreut werden, wenn sie gegen gesetzliche Richtlinien verstoßen haben. Die Aufenthaltsdauer liegt bei mindestens neun Monaten und maximal drei Jahren. Durch den Besuch hatten wir die Möglichkeit, die Rahmenbedingungen und die konzeptionellen Vorgehensweisen der Einrichtung kennenzulernen. Des Weiteren konnten wir hospitieren und erleben, wie der Alltag der Kinder aussieht und in welcher Form sie Bildung in der Institution erhalten und wie ihre Lebensumstände sich gestalten. Für uns war es ein sehr prägendes Erlebnis und ein guter Einblick in die Soziale Arbeit des Globalen Südens.

Einer unserer Lieblingsplätze war inmitten einer Hügellandschaft versteckt. Nach nur 45 Minuten Fußmarsch gelangten wir an einen atemberaubenden Wasserfall. Dort konnten wir uns von heißen Sommertagen abkühlen und mit unseren Freund:innen ungestört die Ruhe der Natur in vollen Zügen genießen und die wundervolle Landschaft bewundern. Dieser Ort versteckte und unbekannte Ort war deshalb unser absolutes Highlight.