03. Januar 2022

Grüße aus Sarajewo

Ana Desnica ist Studierende des Masterstudiengangs Soziale Arbeit, Sozialpolitik und –management und verbringt ihr Auslandssemester in Sarajewo an der Universität Sarajewo, Fakultät für Politikwissenschaften, in Bosnien und Herzegowina.

Welcome-Veranstaltung für Austauschstudierende an der Universität von Sarajewo. (c)Ana Desnica
Welcome-Veranstaltung für Austauschstudierende an der Universität von Sarajewo. (c)Ana Desnica

Über das MCI haben Studierende drei Möglichkeiten, Internationalisierung zu erleben:

  • Das internationale Semester kann am MCI verbracht werden, wobei Lehrveranstaltungen diesfalls durch Lehrende von Partnerhochschulen und Incoming-Studierende aus aller Welt bereichert werden.
  • Ein Austauschsemester kann an vom MCI ausgewählten und staatlich anerkannten Partnerhochschulen (mit entsprechendem Programm für den jeweiligen Studiengang) verbracht werden.
  • Des Weiteren ist eine Freemover-Option durch selbständige Organisierung des Auslandssemesters an Hochschulen, die keine Partner des MCI sind, durch die Studierenden selbst möglich, wenn eine spezifische Hochschule angestrebt wird (Voraussetzung: Abstimmung des Studieninhaltes mit dem MCI).

Ana übermittelt uns einige Eindrücke aus Sarajewo und berichtet über ihre Erfahrungen im Auslandssemester:

Meine Eltern kommen ursprünglich aus Kroatien bzw. Bosnien-Herzegowina, weshalb es bereits seit einigen Jahren mein Wunsch war, längere Zeit in einem dieser Länder zu leben. Deshalb wollte ich mein Auslandssemester in Südosteuropa verbringen, wo das MCI leider keine Partneruniversität hat, weshalb mir nur die Option blieb, als Freemover nach Bosnien-Herzegowina zu gehen.

Dabei hat mich die Stadt Sarajewo seit jeher am meisten fasziniert, weil sie als Schmelztiegel so vieler verschiedener Einflüsse gilt, nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch im Hinblick auf die Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens und deren politisches und kulturelles Erbe. Das Auslandssemester war die perfekte Möglichkeit, mir diesen Wunsch zu erfüllen.

So wie ich Sarajewo bisher erlebt habe, wirkt die Stadt auf mich wie ein Ort des Übergangs zwischen Osten und Westen, zwischen Metropole und Provinzstadt, zwischen Reichtum und Armut, zwischen Ordnung und Chaos, zwischen Krieg und Frieden. Sarajewo scheint ein Zwischenraum zu sein, der viel Energie sowie schöpferische Kraft und Kreativität hervorbringt. Die „Sarajlije“ (Bewohner Sarajewos) identifizieren sich nicht zuletzt aufgrund ihrer Geschichte sehr stark mit ihrer Stadt und kümmern sich wenig um ethnische Trennlinien und sonstige Konventionen. Vielmehr prägen aus meiner Sicht Gemeinschaftlichkeit und Aufgeschlossenheit das städtische Zusammenleben, was wunderbar inspirierend wirkt.

Der größte Unterschied zwischen der Gastuniversität und dem MCI ist wohl die universitäre Infrastruktur, aber auch Ausrichtung und Perspektive der verschiedenen Studienrichtungen, die sich aufgrund lokaler Begebenheiten, der geographischen Lage und des politischen Hintergrunds dieser Gegend teilweise doch sehr stark von jenen am MCI unterscheiden.

Die Vorlesungen an der Universität Sarajewo finden in Präsenz statt und auch sonst gibt es wenige Einschränkungen im alltäglichen Leben im Hinblick auf Covid-19. 

Die einzige Herausforderung während meines Auslandssemesters bisher ist die Luftverschmutzung. Sarajewo liegt in einem Tal im Dinarischen Gebirge, das einem Kessel gleicht und aus dem die verschmutzte Luft nur schwer abziehen kann. Die Stadt zählt vor allem in den Wintermonaten zu jenen Hauptstädten mit den höchsten Feinstaubwerten weltweit, noch vor den Smog-Metropolen Mumbai und Peking beispielsweise.

Sarajewo ist eine unglaublich lebendige Stadt, die so viel Potenzial birgt, sich inspirieren zu lassen. Auch wenn Bosnien-Herzegowina häufig mit Massenarbeitslosigkeit unter Jugendlichen, Auswanderung und einer sogenannten „verlorenen Generation“ verbunden wird, blühen Subkultur und politischer Aktivismus in der Hauptstadt. Es gibt zahlreiche junge Menschen, die auf sehr kreative Weise versuchen die verhärteten Strukturen zu bekämpfen und das Erbe ihrer Eltern und damit die Konsequenzen des Krieges abzustreifen.

Daraus ergibt sich eine pulsierende junge Szene, außergewöhnliche Begegnungen und eine erweiterte Perspektive auf soziale und politische, vor allem aber auf europäische Fragen. Es wäre schön, wenn sich noch mehr Menschen selbst ein Bild von Sarajewo bzw. Bosnien-Herzegowina machen würden, sei es als Tourist_innen oder Austauschstudierende, um sich nachhaltig von dem bunten und warmherzigen Zusammenleben der „Sarajlije“ inspirieren zu lassen.