16. November 2022

AK Wissenschaftspreis 2022 für CSHI – Vulnerable Gruppen in der Corona-Pandemie

Mit dem Thema „Soziale Auswirkungen der Corona-Pandemie auf vulnerable Gruppen in Tirol“ ist das Center for Social & Health Innovation am MCI unter den drei Gewinnern des AK Wissenschaftspreises 2022

Der jährlich vergebene Wissenschaftspreis der Arbeiterkammer Oberösterreich zielt darauf ab, Forschungsprojekte und Arbeiten zu honorieren, die zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmer: innen beitragen. In diesem Jahr ist dem CSHI, unter der Leitung und Mitarbeit von Lukas Kerschbaumer, Sascha Gell und Pia Reichmann, dieser Erfolg mit einem hochaktuellen Beitrag gelungen. Die Pandemie beziehungsweise die daran gekoppelten Maßnahmen und Effekte haben in den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildung und Armutsbekämpfung massive Spuren hinterlassen – so die Annahmen, Unterstellungen und erst nach und nach die wissenschaftlichen Belege. Ein zentrales Element ist es, betroffenen Menschen die Möglichkeit einzuräumen, als Expert:innen für ihre eigenen Lebenslagen auftreten zu können. Deshalb hat das CSHI mit 2021 eine großangelegte Erhebung zu den „sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf vulnerable Personengruppen in Tirol“ gestartet. Im Zuge der Erhebung wurde das breite Spektrum der negativen Konsequenz deutlich, weshalb aktiv an einer umfang- wie abwechslungsreichen Zusammensetzung der Teilnehmenden gearbeitet wurde. Am Ende konnten anhand qualitativer Interviews und einer qualitativen Onlineerhebung 179 Personen und deren Erfahrungen mitaufgenommen werden. Der Fokus wurde auf fünf Teilbereiche gelegt: (1) Armutsdynamik unter COVID-19, (2) Working Poor, (3) Non-Take-Up, (4) Kinderarmut (Schule in der Pandemie) und (5) Menschen mit Behinderungen zusammen mit deren Angehörigen. Zusätzlich wurden noch 36 Personen aus dem Verwaltungsbereich (z.B. Sozialdienstleister:innen, Vertreter:innen aus Politik und Verwaltung) in die Erhebung inkludiert.

Teilnehmer/innen:

Anzahl:

Kinder und Jugendliche (9-15 Jahre)

21

Armut trotz Erwerbstätigkeit

40

Armut (Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle)

54

Front-Desk Mitarbeiter:innen

36

Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige

28

Insgesamt

179

Ja, die Pandemie hat und hatte viele negative Konsequenzen für die befragten vulnerablen Personengruppen, wenngleich es auch Personen gibt, die die Pandemie dazu genutzt haben, das „Ruder herumzureißen“ und neue Orientierungen zu verfolgen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Pandemie mitnichten der alleinige Ursprung aller problematischen Lebenslagen ist. Strukturelle Herausforderungen für die Armutsbekämpfung gab es bereits vorher, die Pandemie hat diese nur deutlicher ersichtlich gemacht, bzw. erschwert. Die Lehren, die sich aus den Einsichten und Erfahrungen unserer Befragten ziehen lassen, können zudem richtungsweisen für kommende Herausforderungen sein, insbesondere für die aktuellen Ausgestaltungen von Entlastungspaketen im Zuge der massiven Teuerung 2022.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Unterstützungsleistungen zwar vielerorts gegeben waren, anspruchsberechtigte Personen jedoch aus Scham, bürokratischen Hürden oder fehlenden Einblicken in mögliche Unterstützungsangebote und fehlenden digitalen Kompetenzen um Leistungen umfielen. Der Verbleib in prekären Lebenssituationen bzw. finanzielle Engpässe und Problemlagen führten in einigen Fällen zu einem „Family Trade-off“, also dazu, dass von einer Familiengründung abgesehen wurde oder Kinder keine Höherqualifizierung anstrebten, um ihre Familie finanziell zu unterstützen. Besonders Kinder bekamen die Auswirkungen der Pandemie stark zu spüren, da es neben finanziellen Mitteln für das Home Schooling an Rückzugsorten aufgrund beengter Wohnverhältnisse und sozialen Kontakten fehlte. Von erlebter sozialer Isolation und Einschränkungen in ihrer Selbstbestimmung berichteten auch Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige, unter anderem ausgelöst durch eine generelle Einstufung als Angehörige einer Risikogruppe und dementsprechenden Angebots- und Arbeitsbeschränkungen.

Das Land Tirol und die AK-Tirol haben die Studie gefördert und der der Austausch mit den Tiroler Armutsforschungsforum (TAFF) war intensiv gegeben. Zudem wurde daran gearbeitet, dass vulnerable Gruppen aus der Nische geholt werden und als Expert:innen für prekäre Lebenslagen zu Teilnehmer:innen des Diskurses um die Herausforderungen bei Armutsbetroffenheit werden. Hier wollen wir uns bei allen Befragten für die Mitwirkung, das Vertrauen und die Offenheit die sie uns entgegengebracht haben bedanken.

Weitere Beiträge zu den Themen Armutsdynamik, Working Poor, Menschen mit Behinderungen und Prekäre Lebensrealitäten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie finden Sie hier:

Armutsdynamik: https://www.mci.edu/de/news-filter/forschung/3397-forschungsprojekt-armutsdynamik unter-covid-19

Working Poor: https://www.mci.edu/de/news-filter/forschung/3399-forschungsprojekt-working-poor-prekaere-lebensrealitaeten-im-fokus

Menschen mit Behinderungen: https://www.mci.edu/de/news-filter/forschung/3402-werden-menschen-mit-behinderungen-in-tirol-waehrend-der-coronakrise-vergessen

Prekäre Lebensrealitäten: https://www.mci.edu/de/news-filter/forschung/3746-prekaere-lebensrealitaeten-im-fokus-armutsforschung-zwischen-krise-und-resilienz

 

Kontakt:

Lukas Kerschbaumer, BA, MA
Hochschullektor
Center for Social & Health Innovation
+43 512 2070 – 7421
lukas.kerschbaumer@mci.edu

 

 

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AK Wissenschaftspreis 2022 wird an Pia Reichmann (Zweite von links) und Lukas Kerschbaumer (Dritter von links) überreicht. Foto: © AK Oberösterreich

AK Wissenschaftspreis 2022 wird an Pia Reichmann (Zweite von links) und Lukas Kerschbaumer (Dritter von links) überreicht. © AK Oberösterreich

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